Microblading mit Makrofolgen

Liebe Kundinnen und Kolleginnen!

Ich habe lange geschwiegen, aus Gründen der professionellen Ethik und der Handlungsfreiheit. Nun breche ich mein Schweigen, da mein Verantwortungsgefühl den Laien / Kundinnen gegenüber und deren Schutzbedürfnis doch überwiegen.
Seit Ende 2014 erlebt Deutschland einen regelrechten Boom in Bezug auf Pigmentierung von Augenbrauen. Es wird mit einer „höchst natürlichen, modernen, innovativen“ Technik geworben: MICROBLADING. Das sei eine neue Methode, welche ein wunderschönes Ergebnis mit ganz dünnen, natürlich verlaufenden Härchen garantiert. Man könne die eingezeichneten Härchen kaum von den eigenen Augenbrauenhaaren unterscheiden, heißt es. Die Prozedur sei schmerzlos und nicht traumatisch; deswegen sei MICROBLADING etwas völlig anderes und viel natürlicheres als ursprüngliches Permanent Make Up, welches von den Befürwortern der innovativen Methode zur Barbarentechnik herabgesetzt wird. Nur mit MICROBLADING erreiche man ideale Ergebnisse und bekomme die perfekten Augenbrauen schlechthin. Die so entstandenen natürlichen Augenbrauen würden innerhalb von 8-12 Monaten verblassen und keine Rückstände hinterlassen.
 
MICROBLADING hat auch andere Bezeichnungen: 3D-Augenbrauen und neulich auch 6D-Augenbrauen.
So das Marketing. Und nun zu den Fakten:
1. „INNOVATIV“?
Die neue, moderne Methode ist nichts anderes als uralte japanische Technik für Tätowierung von Augenbrauen. Diese wird seit jeher überwiegend in ärmeren Vierteln Asiens eingesetzt, da die Materialien sehr günstig sind. Auf diese Weise können auch ärmere Bevölkerungsschichten in Genuss von Augenbrauen-Pigmentierung kommen. So viel zu „innovativ“.
Vor allem darf man nicht vergessen, dass sich die Haut von asiatischen Frauen drastisch von der europäischen Haut unterscheidet. Asiaten haben gelblich schimmernde, stramme und gefässarme Haut, wohingegen hierzulande die Haut eher locker, und gefässreich ist, oft ist das Bindegewebe schwach bis sehr schwach. Aus diesem Grund verheilt die Haut von europäischen Frauen völlig anders und reagiert auch anders auf das Einbringen von Pigmenten.
2. WAS IST „MICROBLADING“?
Was bedeutet nun das Wort „Microblading“? Richtig, übersetzt aus dem Englischen ist das nichts anderes als „Mini-Schnitte“. Und ja, genau das geschieht bei der Behandlung. Eine am Stab befestigte spezielle Klinge wird in das Pigment eingetaucht und mit diesem Gerät wird die Haut geschnitten. Danach wird das Pigment auf die verletzte Fläche aufgetragen und eingerieben (nennt sich bei den Behandlern „Maske“). Diese Vorgehensweise wird als nicht traumatisch und schmerzlos präsentiert.
Und hier die Tatsachen:
Beim Permanent Make Up (und Microblading ist nichts anderes als Permanent Make Up, sprich semi-dauerhafte Einbringung der Pigmente in die Haut) werden Pigmente in die Derma-Schicht der Haut implantiert. Dies ist die mittlere Schicht, die sich zwischen Epidermis und der subdermalen Schicht befindet. Um dorthin zu gelangen, muss man die Epidermis überwinden. Wenn wir mit einem Pigmentiergerät arbeiten, geschieht folgendes: Die Nadel durchsticht die Haut mehrere tausend mal pro Minute, dabei geht sie immer rein und raus, produziert also sehr viele Einstiche in die Derma und gibt dort mit jedem Einstich Pigmente ab. Die Haut wird sozusagen mehrfach perforiert.
Was geschieht denn beim Microblading? Die Haut wird bis in die Derma geschnitten, wie mit einem Skalpell. Und in diesen Schnitt werden Pigmente eingebracht. Was ist denn ein Schnitt? Das ist eine Verletzung der oberen Hautschicht, gefolgt von Blutaustritt und Narbenbildung. Wenn ein Chirurg nach der OP die Haut nicht näht, dann verheilt die Wunde unter Narbenbildung, da sich an dieser Stelle Bindegewebe bildet (Rettungskitt sozusagen). Nun, da wir es hier mit MICROblading zu tun haben, erhalten wir MICROnarben…

Geworben wird unter anderem damit, dass die Behandlung schmerzfrei ist und nicht blutet. Das stimmt nicht! Es ist schmerzhaft (die Haut wird geschnitten; probieren Sie doch mal die Haut mit einer Klinge zu schneiden, wie kann das schmerzfrei sein?) und es blutet natürlich, da sich in der Derma-Schicht Kapillare befinden. Wenn es bei dieser Behandlung NICHT blutet, dann kann das nur eins bedeuten: es wird zu oberflächlich gearbeitet und die so eingebrachten Pigmente gelangen nur in die Epidermis. Diese Hautschicht wird jedoch alle 28 Tage erneuert, und das wäre dann die höchste Lebensdauer der Pigmentierung, da sich die Pigmente zusammen mit den abgestorbenen Hautzellen ablösen würden.
Natürlich habe ich das Microblading ausprobiert. An meinen Freunden und Verwandten, die mir ihre Haut anvertraut haben, damit ich mir ein eigenes Bild von der Behandlung und deren Folgen machen konnte. (Keine Angst, es ist alles gut, ich habe nicht im Gesicht experimentiert, sondern an den Oberarmen und Oberschenkeln, wo die Haut sehr ähnlich mit der Augenbrauen-Haut ist. Und natürlich habe ich die behandelten Flächen wieder mit Laser entfernt).
3. „SEHR NATÜRLICH“?
Höchst natürlich soll das Ergebnis sein. Das ist das stärkste Argument bei der Werbung von Microblading. Die Härchen würden ganz fein, entsprechend der Wuchsrichtung der eigenen Haare, eingezeichnet und sich gar nicht von den eigenen Haaren unterscheiden.
Geworben wird mit ganz frisch gemachten Arbeiten (aufgenommen direkt nach der Behandlung). Ich muss gestehen, dass diese wirklich sehr schön und natürlich aussehen, und hier ist auch der HAKEN. Denn: erst das abgeheilte Ergebnis (3-4 Wochen nach der Behandlung) sagt etwas über das Resultat aus. Direkt nach der Behandlung zieht sich die verletzte Haut sofort zusammen (natürliche Reaktion des Körpers) und die eingezeichneten Linien sehen sehr dünn und schön aus. In der darauf folgenden Heilungsphase geschieht jedoch folgendes:
Die Schnitte verheilen. Es entstehen Mikronarben (gut sichtbar mit der Lupe und bei gutem Licht). Die eingebrachten Pigmente migrieren in der Dermaschicht. Dadurch werden die gezeichneten Linien dicker, verschwimmen teilweise. Da es bei der Behandlung blutet, vermischen sich die eingebrachten Pigmente zum Teil mit dem Hämoglobin (eisenhaltiger Farbstoff der roten Blutkörperchen) und verkapseln sich dauerhaft in der Derma. Genau das ist der Grund für die bläulich-gräuliche Farbe der eingezeichneten Härchen, die ich sehr oft nach den Microblading-Behandlungen sehe.
Um gleichmäßige, schöne Linien in der gleichen Hauttiefe zu ziehen, muss die Hand sehr ruhig und eingeübt sein. Das ist äußert selten der Fall (Gründe dafür schildere ich weiter unten). Als Folge entstehen nach der Abheilung unruhige, gebrochene Punktierlinien, da die Pigmente teils in der Derma (oft leider noch tiefer) teils in der Epidermis landen. In diesen Fällen bieten die Behandler eine Nachbehandlung an, bei welcher die Linien nachgezogen werden. Leider führen solche Nachbehandlungen meist zur Verschlimmerung der Situation, da es äußerst schwierig ist, die vorhandene Linie mit der Klinge zu treffen. Oft entstehen dadurch neue, parallel verlaufende Linien der gleichen Qualität.
4. „VERBLASST VOLLSTÄNDIG“?
Permanent Make Up ist eine semi-dauerhafte Einbringung der Pigmente in die Derma-Schicht der Haut. Es ist egal, mit welchen Methoden das geschieht, ob mit einem Gerät oder mit einem Klingen-Stab. Sobald die Pigmente in der Derma landen, bleiben sie dort auch für eine gewisse Zeit.
Das Verblassen der Pigmente ist sehr individuell und von mehreren Faktoren abhängig. Stoffwechsel, Sonnenbestrahlung, Peelings, Ernährungsweise, Rauchen, Hormone, Medikamente…. Alles spielt eine Rolle. Im Schnitt kann man sagen, dass die Pigmente 1-5 Jahre in der Haut verweilen.
Sind die Pigmente zu oberflächlich eingebracht, verblassen sie innerhalb von einem Monat, da sich die Epidermisschicht ständig erneuert. Sind sie zu tief eingestochen, können sie auch dauerhaft in der Haut bleiben. Das war’s.

5. „PERFEKTE FORM“?
Bei den meisten Microblading-Behandlungen werden die Augenbrauen mit einem speziellen Zirkel nach dem „goldenen Schnitt“ ausgemessen und eingezeichnet. Auf diese Weise soll die ideale Form der perfekten Augenbrauen entstehen.
Schöne Worte, schlimme Folgen… Denn: man kann nicht einfach hingehen und nach bestimmten Regeln die Augenbrauen zeichnen! Jedes Gesicht ist einzigartig und erfordert individuelle Behandlung. Als Profi muss man jeden Kunden in seiner Gesamtheit betrachten. Alles spielt eine Rolle: der Stil, die Größe, die Mimik, Schminkgewohnheiten usw. Als Ausbilderin und Trainerin wiederhole ich immer wieder: man sollte beim Pigmentieren nur in Freihand vorzeichnen und keine Messgeräte und Schablonen benutzen. Nur in einem einzigen Fall befürworte ich es, auszumessen: wenn man unsicher ist, ob die Augenbrauen wirklich gleich lang sind. Der Rest sollte nur freihändig geschehen.
6. „PROFESSIONELL“??
Microblading ist in aller Munde. Wer jetzt nicht „bladet“, ist out und veraltet. Es „bladen“ alle, die den Trend aufgegriffen haben. Wie kommt das denn? Ganz einfach:
Eine fundierte, professionelle Ausbildung zum Permanent-Make-Up-Stylisten dauert lange, kostet viel Geld und ist mit hohen Investitionen verbunden.
Eine „Ausbildung“ zum Microblading-„Profi“ dauert zwei Tage, kostet 1.000 bis 1.500 Euro und erfordert sehr geringe Investitionen (das Starterkit kann man neuerdings bereits für 300 bis 400 Euro erwerben).
Mal ehrlich: was kann man in einem Gruppenseminar in zwei Tagen erlernen? Gestern noch hat man seine Brötchen mit Fusspflege und Lackieren von Nägeln verdient, dann zwei Tage Seminar und schon schneidet man mit Klingen im Gesicht rum…
Nur zum Vergleich: Um z.B. Vitaminspritzen zu machen, braucht man in Deutschland zumindest eine abgeschlossene Heilpraktiker-Ausbildung (2-3 Jahre plus bestandener Prüfung vor dem Gesundheitsamt). Um Augenbrauen zu schneiden, reichen zwei private Seminartage aus.
Unverantwortlich und nicht nachvollziehbar…
7. SONSTIGES
Ich beobachte diese Entwicklung in Deutschland bereits seit 1,5 Jahren. In der gesamten Zeit habe ich KEIN EINZIGES SCHÖNES ABGEHEILTES ERGEBNIS gesehen. Keine Natürlichkeit, keine Perfektion, keine dünnen Linien. Höchstens 1-2 Monate nach der Behandlung wurden einige halbwegs vertretbare Ergebnisse präsentiert, welche sich jedoch in den darauffolgenden Monaten zu undefinierten fleckigen Flächen verwischten.
Fast täglich kommen zu uns Microblading-„Opfer“zum Entfernen der schrecklichen Ergebnisse. Verzweifelte, weinende Frauen, die auf wunderschöne Aufnahmen der frisch gemachten Arbeiten hereingefallen sind und nun mit verunstalteten Augenbrauen herumlaufen. Wir entfernen diese Ergebnisse ständig. Das ist schmerzhaft,  kostet Geld, Zeit und Nerven. Diese Kundinnen zahlen zunächst für das Microblading, anschließend für die Entfernung und dann für die Korrekturbehandlungen (wenn sie sich überhaupt nochmal trauen, sich wieder Augenbrauen machen zu lassen).
Mir wird oft vorgeworfen, nicht objektiv zu sein. Es gäbe genug schlechte Arbeiten, die mit einem Gerät gemacht worden sind. Ja, das stimmt, wir entfernen reichlich Verunstaltungen, welche durch Behandlungen mit Geräten entstanden sind. ABER: das rechtfertigt keinesfalls weitere Verunstaltungen an Gesichtern, ob mit Gerät, Klinge oder anderen Methoden!
Liebe Kundinnen und Interessenten!
Lassen Sie sich nicht von schönen Bildern blenden. Überlegen Sie es sich gut, ob Sie wirklich bereit sind, dreistellige Summen von Geld, Stunden von Zeit und einen Haufen von Nervenzellen loszuwerden, um dieses Experiment über sich ergehen zu lassen.
Lassen Sie sich ausschließlich von erfahrenen Profis behandeln und BITTE! lassen Sie sich immer ABGEHEILTE Ergebnisse / Referenzarbeiten zeigen. Verlangen Sie unbedingt nach ABGEHEILTEN Resultaten, diese unterscheiden sich drastisch von Frischarbeiten. Mit ca. 1.000 Permanent-Make-Up-Behandlungen pro Jahr weiss ich sehr gut, wovon ich hier spreche.
Es gibt wirklich gute Permanent-Make-Up-Spezialisten in Deutschland. Erfahrene, seriöse Kolleginnen, die ihre Arbeit lieben und mit Leidenschaft machen. Diese Kolleginnen betreiben in der Regel keine aggressive Werbung, zeigen immer willig fertige, verheilte Ergebnisse und erzählen Ihnen offen und ehrlich von möglichen Nebenwirkungen. Genau in solche Hände sollten Sie sich begeben, nur solchen Spezialisten sollten Sie Ihr Gesicht anvertrauen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen Schönheit, ein glückliches Lächeln und Vorsicht vor unüberlegten Entscheidungen.
Herzlichst Ihre
Maria Prieb, Trainerin und Sachverständige für Permanent Make Up und dessen Entfernung
Dieser Artikel entstand im Februar 2016